Hans H. Diebners Forschung

Performative Wissenschaft

Es handelt sich bei diesem Projekt um Versuche zur Gegenruinanz, ein von M. Heidegger geprägtes Konzept. Ich stelle nämlich fest, dass die gemäß Heidegger bestehende Tendenz des faktischen menschlichen Daseins zum Abfall angesichts der fortschreitenden Kybernetisierung (Automatisierung der lebensweltlichen Entscheidungsprozesse und Interventionsmaßnahmen) ins unermessliche beschleunigt zu werden scheint. In einem Pakt der Wissenschaft mit der Kunst, mit dem Ziel die in der Wissenschaft vorherrschende Repräsentativität durch eine Performativität zu erweitern, habe ich lange Zeit einen ideologie- und dogmafreien Schulterschluss für gegenruinante Maßnahmen gesehen. Bisheriges Resultat ist die Anzeige des Scheiterns. Nämlich, eine Vernutzung der Kunst und damit auch ihr zunehmender Sog in die Ruinanz ist der Fall. Mit ihrer vermeintlichen Ethikfreiheit wird diese Tendenz lediglich schöngeredet. Einige Fragen, die ich zu dieser Thematik noch habe, müssen vorerst mangels Gelegenheit unbearbeitet bleiben.

Nichtsdestotrotz möchte ich gerne die Historie zu diesen Überlegungen wach halten, obwohl im Laufe der Jahre eine Art Eigendekonstruktion statt fand:

In der wissenschaftsphilosophischen und wissenschaftshistorischen Forschung ist mehrfach festgestellt worden, dass die Wirkungsweise bei der Generierung von Erkenntnis in den Wissenschaften oft nicht explizit formulierbar ist. Wissenschaftler*innen verfügen über ein implizites Wissen, es kommt Heuristik und Intuition zur Geltung. Eine entscheidende Rolle spielt die innige Involviertheit der Forscher*innen in ihren Forschungsgegenstand (das epistemische Ding) und die Apparate.

Wissen wird im Vollzug generiert, ohne schon immer einer propositionalen Logik zu folgen. Im Allgemeinen spricht man hier von Performativität. In Anlehnung an die Arbeiten des Philosophen Martin Heidegger gehe ich auch im wissenschaftlichen Bereich von einem "In-der-Welt-sein" aus. Die spannende Frage ist, ob trotz der eingeschränkten Artikulierbarkeit von performativen Mechanismen eine für Innovation und Erkenntnis begünstigende Situation geschaffen werden kann, so dass diese gewissermaßen verborgenen Qualtitäten besonders zur Geltung kommen.

Es ist vor allem und bisher fast ausschließlich die Kunst, die sich auf Performativität besonders gut versteht, was in der Kunsttheorie auch gebührend thematisiert wird. Im Rahmen der performativen Wissenschaft versuche ich, diese Studien auch für naturwissenschaftliche und technologischen Bereiche fruchtbar zu machen. Es ergibt sich eine Forschung, die zwischen konkreten Fragestellungen im Bereich komplexer Systeme und methodischer Forschung angesiedelt ist. Diese Forschung betreibe ich seit etwa 1999 komplementär zur "üblichen" Komplexitätsforschung, weshalb ich der performativen Wissenschaft eine eigene Menu-Rubrik gewidmet habe.