EyeVisionBot (2003-2004)

Blickerfassungsbasierte Artifizielle-Intelligenz-Installation zur Bildersuche

von Hans H. Diebner, Sebastian Fischer, Lasse Scherffig



Hans H. Diebner, Sebastian Fischer, Lasse Scherffig: EyeVisionBot.
Aufnahmen vom Stadtgeburtstag Karlsruhe 2003 (oben),
Screenhots und Museumsinstallation im ZKM Medienmuseum
Karlsruhe 2004 (unten).


Ziele des Projekts sind einerseits, die Bildersuche in Datenbanken und im Internet zu optimieren, und zwar unter Einsatz von Blickerfassung und adaptiven Algorithmen, andererseits, die Gefahren der Instrumentalisierung durch künstliche Intelligenz sichtbar zu machen. Zu Beginn der Suche zeigt "EyeVisionBot" 9 bis 25 Bilder (abhängig von der Bildschirmgröße). Die Zeitdauern, die der Blick auf den individuellen Bildern ruht, wird über die Blickerfassungstechnik registriert. Aus den kumulierten Blickzeiten wird schließlich eine erwünschte Bildkategorie ermittelt. Gelegentlich wird nach einem neuen Satz Bilder angefragt, und zwar basierend auf Schlagwörtern und strukturellen Ähnlichkeiten, die aus den Blickzeiten der vorhergehenden Suche ermittelt wurden.

Schlagwörter und strukturelle Bildattribute können zur Suche herangezogen werden. Die Effizienz der schlagwortbasierten Suche in Datenbanken hängt von der Nützlichkeit der Klassifizierung und der korrekten Zuschreibung der Bilder zu den Kategorien ab. Im Internet adressieren die Schlagwörter Begriffe, die auf den Internetseiten auftauchen, in die die Bilder eingebettet sind. Auch die Namen der Bilddateien werden als Schlagwörter benutzt. Die strukturelle Suche hingegen beruht auf einem Vergleich der Bilder hinsichtlich archetypischer Ähnlichkeiten wie z.B. geometrische Formen und Farben.

"EyeVisionBot" versteht sich mitunter als ein experimentelles Interface, um vorbewusste Wahrnehmung zu erfassen und zu analysieren. Damit soll das Such- und Klassifikationsverhalten untersucht werden um schliesslich eine optimale Adaptation an die Bedürfnisse der Nutzer zu gewährleisten. Diese Forschung erschöpft sich nicht auf der Ableitung und Untersuchung adaptiver Algorithmen zur Schätzung erwünschter Kategorien sondern umfasst auch die Optimierung der Klassifizierung und das Design der Präsentationsoberfläche. Es zeigt sich allerdings, dass die Adaptationen gelegentlich zu einer Art Instrumentalisierung der Benutzer führen kann, eine Tatsache, die in einer kritischen Weise reflektiert werden soll. Wir erwarten neues Verständnis bezüglich der Klassifikation von Datenbanken sowie Innovationen im Gebiet adaptiver und kontextsensitiver Methoden.


Hans H. Diebner,Sebastian Fischer und Lasse Scherffig: EyeVisionBot.
Video-Dokumentation mit Auszügen aus dem ZKM Medienmuseum Karlsruhe 2004.

Warum steht EyeVisionBot im Museum? Auf diese Frage möchte ich mit einem Bildzitat antworten: TV-Buddha.

In Worten: EyeVisionBot liest den Benutzern den Wunsch buchstäblich von den Augen ab. Bei perfekter Anpassung an das suchende Individuum werden aber nur noch Bilder aus der Wunschkategorie geliefert, sodass kein Entweichen mehr möglich ist. Eine perfekte künstliche Intelligenz zerstört Kreativität und bedient nur noch die alten Vorurteile. In einer Langzeitstudie im Museum lässt sich nicht nur auf die instrumentalisierende Wirkung moderner Software aufmerksam machen, sondern im Sinne einer großen Feldstudie performativ neue Erkenntnis gewinnen, wie Kognition funktioniert.

"EyeVisionBot" kooperiert mit der Bilddatenbank des "Medien Kunst Netzes" und wurde als Teilprojekt des Projekts "Dynamische kognitive Systeme, neuronale Netze und Wahrnehmung" des Instituts für Grundlagenforschung am Zentrum für Kunst und Medientechnologie (ZKM), Karlsruhe, entwickelt.

Das Projekt wurde unterstützt durch das Land Baden-Württemberg aus Mitteln aus der "Zukunftsoffensive III für innovative Projekte".

Hard- und Software: Proprietäres Eye-Tracking-System mit Steuer-Computer "GIFT" Server (open source) für die struktur-basierte Bildersuche, entwickelt von "Computer Vision and Multimedia Lab," Universität Geneva. Eigene entwickelte Software zur Analyse und Optimierung des Suchprozesses; graphisches Interface; Schnittstellen zur Vernetzung und zur Steuerung der Hard- und Software-Komponenten.

Ausstellungen:

  1. Suchender Blick: Vorführung von EyeVisionBot im Rahmen des Karlsruher Stadtgeburtstages 17.-20. Juni 2004.
  2. Seit September 2004 Teil der Sammlung der "Meisterwerke der Medienkunst" im ZKM Medienmuseum Karlsruhe.
  3. Enseigner/Produire. Lehren, Kommunizieren und Produzieren im Zeitalter des Consumer Generated Content. Ausstellung: 20.01. bis 03.03.2006, ZKM, Karlsruhe.

Pressestimmen und Award:

Am 9. Juni 2005 wurde "EyeVisionBot" mit dem 7. Platz des doIT Software Award ausgezeichnet.
An der Schnittstelle von Wahrnehmung und Technik. DoIT online vom 01.02.2006.

Where Creativity Meets Technology.

EyeVisionBot: Nominiert für den Digital Sparks Award 2006.

Cluster Visual Computing: At a glance

Publikationen:

Hans H. Diebner: Von guten Algorithmen und schlechten Menschen.

Lasse Scherffig: It's in your eyes. Master's Thesis in englischer Sprache zum EyeVisionBot. Siehe hierzu auch: Lasse Scherffigs website. Ko-Betreuer der Master's Thesis von Lasse Scherffig war freundlicherweise Prof. Frieder Nake, einer der Pioniere der Computer-Kunst.

Lasse Scherffig und Sebastian Fischer: Openbaar. Ein open source spin-off von EyeVisionBot bei sourceforge.net

Soren Pold: Towards the Aesthetics of the Instrumental Medium.